Kakteenaussaat 1914

Alles über die Vermehrung der Kakteen

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Dornenwolf
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Kakteenaussaat 1914

Beitrag von Dornenwolf »

Aus der Zeitschrift "Monatsschrift für Kakteenkunde" vom 15. Januar 1914 erregte der Beitrag "Anzucht aus Samen" von F. H. Bussler meine Aufmerksamkeit. Hier der Wortlaut:
Anzucht aus Samen.

Von F. H. Bussler.

Vor einiger Zeit wurde in der "Monatsschrift" an die Empfänger von Kakteensamen die Aufforderung erlassen, über ihre Erfolge oder Nichterfolge zum Nutzen Aller zu berichten. Ich hätte dieses längst schon gern getan, wenn ich einen überhaupt nennenswerten Erfolg erzielt hätte. Aber von den bei der Verteilung auf mich gefallenen Samen sind nur sehr wenige aufgegangen. So erhielt ich von Echinocactus viridescens 1, von Eds. mimiscuhis 3, von Ecis. recurvus 1, von Ects. gibbosus var. leucacanthus 1, von Ecis. platensis 1, von Echinoccreits cinerascens 1, von Echinopsis oxygona 4 und von Mamillaria bocasana 1 Sämling. Nur das Mesembrianthemum tricolor ist in Massen aufgegangen. Alles in allem ein recht dürftiger Erfolg, den ich mir nicht anders erklären kann, als dass die Samen zu alt oder grösstenteils überhaupt nicht keimfähig gewesen sind, wie das ja leider oft bei den hier geernteten der Fall ist.

Dagegen sind die aus meiner eigenen Sammlung stammenden Samen sehr schön gekeimt, darunter sogar die Pelecyphora pectinata, die doch gewiss sehr empfindlich ist; die Sämlinge dieser Art sind jetzt gut erbsengross.

Im Anschluss hieran möchte ich mir erlauben, meine Behandlungsweise der Samen und Sämlinge bekanntzugeben.

Mein Gewächshaus, das eine Bodenfl"che von 3,5 x 5 m hat, bekommt seiner östlichen Lage wegen leider nur den halben Tag über Sonne; es wird mit einem gewöhnlichen Dauerbrenner geheizt. Anfangs April säe ich in kleine runde Blumentopf Untersätze, in deren Boden ich ein paar Löcher schlage. Als Erde benutze ich eine gewöhnliche gesiebte Gartenerde. Die Samen werden oben aufgestreut und mit einem Bleistift oder ähnlichen zugespitzten Holzstäbchen leicht in die Erde gerieben und festgedrückt. Dann halte ich die Schalen in Wasser, damit sich die Erde von unten gut vollsaugen kann, und stelle sie in die Sonne ohne Schatten. Je nach Temperatur und Austrocknung lasse ich die Schalen sich wieder vollsaugen, ohne sie jedoch ganz unter Wasser zu tauchen, weil dadurch die Samen fortgeschwemmt würden. Mit den bald aufgehenden, mehr oder minder kugelförmigen Sämlingen erscheint fast gleichzeitig ein feiner, grüner "berzug von Algen.

Dieser Überzug ist mir sehr wichtig. Er ist mein Feuchtigkeitsmesser: wächst er stark und üppig, so ist das ein Zeichen, dass zuviel Wasser vorhanden ist; wächst er dagegen fast gar nicht und wird braun, so muss ich mehr Wasser geben.

Wenn er zu sehr überhand nimmt, überwuchert er die Sämlinge und hindert die Nachzügler am Keimen.

Nachdem die Mehrzahl der Samen einer bestimmten Art gekeimt ist, lasse ich sie noch 1-i Tage oder länger ruhig stehen und gebe ihnen in dieser Zeit weniger Wasser, weil die Sämlinge nach meiner Beobachtung gerade dann am empfindlichsten sind. Wenn sich die ersten leinen Stachelchen zeigen und die Wurzelbildung kräftiger vorwärts schreitet, werden sie pikiert. Dazu gebrauche ich ebensolche Schalen wie zur Aussaat und bewässere sie in der oben angegebenen Weise. Ich erinnere mich, in der "M. f. K." einen Artikel gelesen zu haben, in dem dieses Verfahren als absolut schädlich verworfen wird, doch kann ich dem nicht beistimmen. Vielmehr vermeide ich es, die Sämlinge von oben zu bespritzen, ebenso wie meine grossen Kakteen.

Schatten gebe ich nie. Es ist zwar möglich, dass man mit mehr Wasser und Schatten schneller grössere Pflanzen erhält, doch bin ich mit meinem Verfahren sehr zufrieden. Die Verluste sind dabei gleich Null; die Sämlinge erreichen bis zum Ende des Jahres Haselnussgrösse und mehr; sie sind sehr gut bestachelt und schrumpfen auch im Winter gar nicht oder wenig ein. Zum Herbst hin gebe ich den Sämlingen nun immer weniger Wasser und in den eigentlichen Wintermonaten nur gelegentlich. In der Regel pikiere ich gleich das erste Mal so weit, dass es bis in den Anfang der nächsten Wachsperiode genügt. In der Ruhe pikiere ich "berhaupt nicht. Ich habe gefunden, dass fast alle Kakteen um so freudiger wachsen, je eher die Wurzeln mit der Topfwand zusammen stossen. Es scheint mir das daher zu kommen, dass die meisten Kakteen Felsenbewohner sind. Ich pikiere daher nur, wenn Raummangel eintritt. Auf diese Weise erhalte ich am Ende des zweiten Jahres Pflanzen von Walnussgrösse und mehr und setze sie dann im nächsten Jahre in kleine Töpfe.

Einfügen möchte ich hier noch, dass weder meine kleinen noch grossen Kakteen einen warmen Fuss erhalten; die Sämlinge gehen dabei unfehlbar zugrunde. Ein Bekannter von mir, der die Kakteenzucht gleich im grossen anfangen wollte, kaufte für etwa 40 Mark Samen, richtete ein schönes, warmes Beet her und säte die Samen aus. Es war eine Freude, sie aufgehen zu sehen, die Kügelchen waren von vornherein so gross, wie ich sie bei mir noch nie sah. Meinen Rat, jetzt stark zu lüften und ganz wenig zu spritzen, befolgte er aber nicht, und die Folge davon war, dass sie nach 14 Tagen alle von einem Pilz vernichtet worden waren. Der Herr hat daraufhin leider die Lust zu weiteren Versuchen vollkommen verloren. Für Importen mag ein warmer Fuss hin und wieder angebracht sein; es ist aber sehr gefährlich, weil sie ohne junge Wurzeln äusserst empfindlich gegen jede Art von Feuchtigkeit sind. Ich halte es für ratsam, Importen sofort in möglichst kleine Töpfe zu pfianzen und ganz wenig zu giessen, bis sie austreiben, selbst wenn es 2 bis 3 Jahre dauern sollte, wie es mir schon gegangen ist. Zum Schluss kann ich noch verraten, dass fast meine ganze, 400 Arten umfassende Sammlung durch den Austausch von Sämlingen zusammengebracht ist und mich daher sehr wenig kostet.
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kjii
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Re: Kakteenaussaat 1914

Beitrag von kjii »

Was aus der Sammlung wohl geworden ist????
LG Elke
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Dornenwolf
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Re: Kakteenaussaat 1914

Beitrag von Dornenwolf »

In der Monatszeitschrift steht zu seiner Person:

" Bussler, F. H., Potsdam-Sanssouci, Melonerie. "

Er dürfte also Gärtner in der Melonerie (was ist das genau?) gewesen sein.

Gruß Wolfgang
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kjii
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Re: Kakteenaussaat 1914

Beitrag von kjii »

Friedrich der Große muss die Melonen sehr gemocht haben. Schon als Kronprinz ließ er in seinem Neuruppiner Amaltheagarten dieses Obst anbauen. „ ... ich brenne vor Ungeduld, meinen Weinberg, meine Kirschen und Melonen wiederzusehen“, schrieb er in einem Brief. In einem Schreiben, das der König an seinen ehemaligen General Heinrich August de la Motte Fouqué schrieb, heißt es: „Ich habe Ihnen zwar einen Arzt geschickt, da ich aber weiß, dass Sie sich dessen nur so obenhin bedienen, so übersend“ ich Ihnen Melonen, mein lieber Freund! die vielleicht mehr nach Ihrem Geschmack seyn werden.“ Dazu schickte Friedrich seinem kranken Freund und Offizier zwei Melonen nach Brandenburg an der Havel mit. In Sanssouci, das ja neben einem Ziergarten auch einen Nutzgarten hatte, wurden die Terrassenstufen auch für den Melonenanbau genutzt. Später wurde er - noch unter Friedrich II. - unterhalb des Schlosses Sanssouci, westlich des Hofgärtnerhauses, eingerichtet. Das Areal nennt man seitdem Melonerie.

http://www.pnn.de/potsdam-kultur/127039/
LG Elke
benni
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Re: Kakteenaussaat 1914

Beitrag von benni »

Der Artikel von F.H.Bussler, Potsdam-Sanssouci ist sehr interessant und kommt der
natürlichen Aussaat und dem natürlichen Aufwuchs offensichtlich sehr nahe.

Ich lebe im Süden Europas, habe meine Kakteen draussen in einem Steingarten
über das ganze Jahr und stelle immer wieder fest, dass irgendwo, offenbar von Ameisen
verschleppte Kakteensamen gekeimt sind und sich kleine Pflänzchen entwickelt haben.
Und das, ohne jegliches Zutun meinerseits - ohne sterilisiertes Substrat, ohne zusätzliche
Wärme und ohne künstliche Beleuchtung; dafür oft wochenlange Trockenheit, im Sommer
brütende Hitze, starke Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen und ja, im Winter auch
mal leichte Fröste in der Nacht. Dies müssen sogar meine Mesembs wie Lithops u.a. aus-
halten - und sie tun es. Die Mesembs stehen allerdings wegen der Nässe unter einem Dach.
Ich hoffe, "schlurf" kriegst jetzt kein Herzbibbern.

Liebe Grüsse
benni (Benita)
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